Einkaufen bis der Mond aufgeht?

 

Zum 1. Juni diesen Jahres sollen die Geschäfte auch an Samstagen bis 20.00 Uhr geöffnet werden, so haben jedenfalls Bundestag und nun auch Bundesrat beschlossen. Nach der Einführung des langen Donnerstages und der allgemeinen Erweiterung der Öffnungszeiten an Werktagen bis 20.00 Uhr und samstags auf 16.00 Uhr ist dies die Dritte weit reichende Reform der Ladenschlusszeiten. jedes Mal kündigten die Einzelhandelsverbände Mehreinnahmen für das Gewerbe an - jedes Mal blieben diese aber aus. Ebenso versuchte die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di jeweils diese Regelungen zu verhindern - vergeblich. Nun kündigt ver.di eine harte Tarifrunde an: Das Freizeitinteresse der Arbeitnehmer dürfe nicht auf dem Altar der neuen Regelung geopfert werden.

 

Schon 1989 wurde der "lange Donnerstag" als Dienstleistungsabend eingeführt. Schon damals blieben die Ergebnisse hinter den Erwartungen zurück. Der König Kunde blieb dem langen Donnerstag fern. Die Umsätze stiegen nicht, neue Arbeitsplätze fielen auch nicht vom Himmel. Im Jahr 1996 folgte dann die allgemeine Erweiterung der Öffnungszeiten von werktags 18.30 auf 20.00 Uhr und samstags von 14.00 auf 16.00 Uhr. Dieses Mal nahm der Kunde die Öffnungszeiten zwar an, Umsatzgewinne und neue Arbeitsplätze blieben aber wieder aus.

 

Im Gegenteil: In den letzten fünf Jahren stieg der Einzelhandelsumsatz entgegen dem allgemeinen Entwicklungen (2,6 Prozent) gerade mal um 0,8 Prozent. Auch die erwarteten Arbeitsplätze blieben aus - der Trend drehte sich sogar um: Jährlich wurden 20.000 bis 30.000 Arbeitsplätze im Einzelhandel abgebaut.

 

Warum also die neue Regelung?

 

Trotzdem erhofft sich Wirtschaftsminister Wolfgang Clement von dieser Klausel einen Schub für den Einzelhandel: "Ich hoffe sehr, dass die neuen Möglichkeiten die Konsumfreude der Verbraucher und letztlich die wirtschaftliche Entwicklung beleben werde", erklärte er seine Erwartungen an das neue Gesetz. Wie Clement sieht der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes BAG, Johann Hellwege, rosige Zeiten auf den Einzelhandel zukommen: "In der jetzigen, äußerst schwierigen Situation braucht der Einzelhandel die vier zusätzlichen Stunden an Samstagen so schnell wie möglich", führt er aus. Dagegen dämpft Holger Wenzel vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels die Erwartungen: "Auch wenn längere Öffnungszeiten allein kaum mehr Umsatz und Beschäftigung insgesamt bringen, tragen sie dazu bei, zumindest die Kundenzufriedenheit zu verbessern." Ein Umsatzgewinn für den Einzelhandel scheint also eher nicht zu erwarten zu sein - wie schon bei den früheren Gesetzesänderungen auch.

 

Welche Positionen werden von gewerkschaftlicher Seite vertreten?

 

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sieht in der neuen Regelung eher die Gefahr des Abbaus von Rechten der Arbeitnehmer: Sie befürchtet, dass statt des behaupteten Zuwachses an Vollzeitstellen im Gegenteil eher der Trend zu vermehrter Teilzeitarbeit gehen werde. Dabei werde weiter die Planungssicherheit für die Arbeitnehmer untergraben. Sie seien Arbeitnehmer "auf Abruf". Ebenso würde ihnen das Wochenende zerstört: "Arbeiten am Samstag bis 20.00 Uhr heißt, dass nicht nur der Nachmittag für die Familie verloren ist, sondern auch der Abend für gemeinsame Aktivitäten. Vier Stunden mehr am Samstag - für die Beschäftigten im Einzelhandel ist dies das Ende des freien Wochenendes!", so ver.di in einem Argumentationspapier zum Ladenschlussgesetz.

 

Ebenso weist ver.di auch auf den möglichen wirtschaftlichen Schaden für die Einzelhändler hin. Eine Verlängerung der samstäglichen Öffnungszeiten werde den "sowieso schon laufenden Konzentrationsprozess zu Gunsten der größeren Läden (Verbrauchermärkte, Weltstadthäuser) und zu Lasten kleiner Supermärkte bzw. kleiner Warenhäuser noch [ ... ] beschleunigen." ver.di weist dabei auf eine Studie des Landes Nordrhein-Westfalen hin, dass "in 76 Prozent der Städte eine Gefährdung der Nahversorgung im Lebensmittelbereich wahrgenommen" werde. 17 Prozent der Gesamtbevölkerung und 29 Prozent der Gemeindeflächen des Landes seien schon jetzt unterversorgt.

 

Harte Tarifverhandlungen angedroht

 

ver.di hat nun den Einzelhändlern, die die verlängerten Öffnungszeiten mit verursacht hätten, eine harte Tarifauseinandersetzung angedroht. So hat die bundesweite Tarifkonferenz von ver.di mehrere Forderungskomplexe erarbeitet, die den Erhalt der "sozialen Arbeitszeit" gewährleisten sollen: Die Planungssicherheit der Arbeitnehmer soll dort unter anderem dadurch gesichert werden, dass Mindeststandards festgelegt werden. So soll eine Arbeitswoche im Einzelhandel maximal 5 Arbeitstage haben, eine tägliche zusammenhängende Mindestarbeitszeit von vier Stunden und eine wöchentliche Mindestarbeitszeit von zwanzig Stunden soll diese Planungssicherheit gewährleisten. Ebenso soll mit einer Gleichbehandlung von Vollzeit und Teilzeit dem Trend zur Teilzeit entgegengewirkt werden. Zusätzlich soll für die Arbeitnehmer jedes zweite Wochenende entgegen der gesetzlichen Regelung, die nur ein freies Wochenende vorsieht, arbeitsfrei sein und samstags ab 14.00 Uhr Zuschläge gezahlt werden. ver.di will noch vor Beginn der Regelung am 1. Juli die Tarifverhandlungen abschließen.

 

Fazit

 

Die Erfahrungen mit den vorherigen Öffnungsklauseln für die Ladenschlusszeiten haben gezeigt, dass keine neuen Arbeitsplätze entstehen und der Umsatz im Einzelhandel auch nicht steigt. Der Argumentation des Einzelhandels fehlt die Schlüssigkeit: Längere Öffnungszeiten bringen einfach nicht mehr Geld in die Lohntüte des Kunden. Dagegen greift das Argument von ver.di, dass mit dieser Regelung der Verdrängungswettbewerb verstärkt wird. Der kleinere Einzelhandel, der bereits seit längerem unter Umsatzrückgängen leidet, wird es sich nicht leisten können, noch mehr Arbeitsstunden zu zahlen. Der Bäcker und der kleine Supermarkt nebenan werden schließen müssen. Und das wird kein Gewinn für den Verbraucher sein!

 

Jan Große Nobis